GegenStandpunkt

Der Staatshaushalt

Von der Ökonomie der politischen Herrschaft

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Wenn im Herbst die Volksvertreter kapitalistischer Nationen den Haushalt diskutieren, geht es zunächst in aller Form um das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben. Der Finanzminister, zuständig für die Verwaltung der Staatskasse, rechtfertigt seine Abrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr und legt dem Parlament die Planung für das nächste zur Billigung vor. Dabei steht eine Prüfung der verfügbaren Geldmittel ebenso an wie der Streit darüber, wofür sie ausgegeben werden sollen.Daß es sich um keinen gewöhnlichen Haushalt dreht, wie er in der Welt des Privateigentums einerseits als Kalkulation von Unternehmen, andererseits als Bewirtschaftung von Einkommen aus „unselbständiger Arbeit“ vorkommt, wird auf beiden Seiten des staatlichen Rechnungswesens deutlich. Der hoheitliche Umgang mit Geld ist zwar auch darauf gerichtet, über möglichst viel von diesem Stoff zu verfügen; aber sowohl die Art der Beschaffung wie die der Verwendung der staatlichen Finanzen weicht erheblich von den Berechnungen und Techniken ab, die den privaten Umgang mit Einnahmen und Ausgaben kennzeichnen.

Die Einnahmen des Staates stammen nicht aus irgendeiner Sorte Tausch. Der Staat verdient sich das Geld nicht, sondern eignet es sich durch das höhere Recht seiner legitimen Gewalt an. Die Steuern sind nach Art und Höhe Resultat von Beschlüssen, mit denen der Staat über Teile des in der Gesellschaft zustande gekommenen und umlaufenden Privateigentums verfügt. Das Entrichten der Steuer ist entsprechend auch kein Kauf und berechtigt die Zahlenden nicht zu Ansprüchen auf staatliche Gegenleistung; aus der Perspektive der Bürger erscheint die Steuer allemal als Abzug und Beschränkung ihres Eigentums. Sie zeugt freilich ebenso von der Abhängigkeit, in die der Staat sich stellt: Seine Ressourcen fallen danach aus, was das Funktionieren des Privateigentums unter seiner Hoheit hergibt. Den Respekt vor seiner Geldquelle demonstriert der Souverän erst recht, wenn er sich verschuldet. Seine Gläubiger haben – dem Marktrecht entsprechend – Anspruch auf Zinsen, also Kapital.

Die Ausgaben des Staates sind, wie der Name schon sagt, eine ziemlich marktwirtschaftliche Art, Hoheit auszuüben. Die Sachen und Dienste, die der Staat für sein Werk braucht und seiner Gesellschaft abverlangt, requiriert er nicht bzw. nur im Fall einer äußersten nationalen Notlage. Er kauft und bezahlt sie und ordnet dadurch sich selbst dem Regime des Geldes unter, das er installiert. Der politische Souverän beugt sich dessen Gesetzen, weil Geld und seine Mehrung sein eigener erster Zweck ist. Davon zeugt nicht nur die geschäftliche Form, in der er die erforderlichen Dienste der Gesellschaft „kommandiert“ sondern ebenso der Inhalt des Regierens, für das die staatliche Revenue ausgegeben wird. Was immer der Staat sich vornimmt, dient diesem Zweck: Die marktwirtschaftliche Ordnung braucht sehr viel Staat nicht zu ihrer Korrektur, sondern für ihr Gelingen.

Mit seinem Haushalten, dem Einziehen wie dem Ausgeben von Geld, definiert das politische Gemeinwesen sich und seine Gesellschaft: es verordnet ihr die Herrschaft des Geldes. Kein Plan und kein Kommando stiftet in der Marktwirtschaft den materiellen Zusammenhang zwischen den Bürgern, sondern das von der Politik ebenso getrennte, wie von ihr ermächtigte „reale Gemeinwesen“ Geld. Die Verfügung darüber ist absolute Bedingung der Teilhabe am materiellen Reichtum; Gelderwerb daher der allgemeine Zweck aller wirtschaftlichen Betätigung. Über das Geld, nur darüber, hängen die Privatsubjekte voneinander ab – und zwar in einer antagonistischen Weise: Jeder ist bestrebt, sich des Geldes zu bemächtigen, das der andere hat; das Angebot, das einer dem anderen zu diesem Zweck machen muß, benutzt dessen Bedürfnis als die Schwäche, die es auszunutzen gilt. Am Preis, den einer dabei erzielt, entscheidet sich, ob und in welchem Maß seine Arbeit sich für ihn als Mittel des Erwerbs bewährt, für den sie da ist. Der Staat benutzt seine politische Macht, um die Bürger auf das Geld als die reale Macht festzulegen, die sie übereinander ausüben und der sie sachlich unterworfen sind. Ihre gegeneinander gerichteten Anstrengungen, sich Geld anzueignen, verbucht er als Beiträge zu dem nationalen Gesamtertrag, den er von ihnen will. Die Privatsubjekte, die sich um nichts als ihre kapitalistischen Geldinteressen kümmern, sind immer zugleich im politischen Auftrag unterwegs: Was die Bürger gegeneinander an Geld erwirtschaften, ist der Inbegriff der ökonomischen Macht des Staates.